Selber zu kochen ist auch im Zeitalter von Anna, die nur das Beste für uns will und Betty, die den Boss in der Küche markiert, schick. Doch wahre Freizeit-Köchinnen und -Köche wissen: Kochen ist mehr als „pimping up your Fertig-pizza“ oder das Begiessen der Spaghetti mit Fertig-Bio-Sauce. Und wenn wir bei Pasta und Pizza sind: Nein, das italienische Küchenalphabet geht nicht nur von Pa- nach Pi-!
Vor Pa- und nach Pi-
Doch wer es nun wirklich ernst meint mit der italienischen Küche, der kommt um sie nicht herum: Marcella Hazan. In der Wikipedia steht über sie:
She is widely considered by chefs and fellow food writers to be one of the foremost authorities on Italian cuisine.
Die „authority“ können wir ganz wörtlich nehmen: Sie sagt, was geht – und was nicht geht. Ihre Kochbücher, alle zuerst in Amerika erschienen, sind die Bibeln der italienischen Küche. DIE Bibeln.
Ich bete der Ausgabe „Die klassische italienische Küche“ nach. Und ich möchte der geneigten Leserschaft zeigen, dass Marcella Hazan darin nicht nur kulinarische Massstäbe setzt, sondern auch sprachliche.
Flinke, willige Hände
Nehmen wir doch so etwas naheliegendes wie Pasta. Es versteht sich von selbst, dass gewisse Pastasorten selber hergestellt werden müssen. Zwar auch in Italien keine Tugend mehr, die in allen Haushalten gelebt wird.
Aber auch Ihnen wird es gelingen, eine vorzügliche frische Pasta herzustellen, wenn Sie entweder die Maschinen- oder die Nudelholzmethode anwenden. (132)
Schön, wir haben die Wahl – das ist für Marcella Hazan eigentlich untypisch. Doch haben wir die Wahl wirklich?
Diese beiden Methoden sind nicht bloß zwei verschiedene Wege, die zu demselben Ziel führen. Mit der Hand ausgerollte frische Pasta ist etwas ganz anderes als mit der Maschine ausgerollte. […] Doch leider ist das Erlernen der Nudelholzmethode genauso schwer wie das Erlernen eines Handwerks. Mit dem Befolgen von Anweisungen allein ist es nicht getan. Man muss die Handgriffe immer wieder mit großer Geduld und flinken, willigen Händen üben, bis sie automatisch erfolgen und keiner langen Überlegungen mehr bedürfen. (132f.)
Wir ahnen es: Die „Nudelholzmethode“ gehört den Göttern, nicht den Menschen. Versuchen wir es also mit der Pastamaschine:
Es gibt nur eine einzige Art von Pastamaschine, die Sie in Betracht ziehen sollten. Sie hat zum Kneten und Ausrollen des Teigs zwei parallele Walzen, gewöhnlich aus Stahl, und zwei Schneidesätze, einen breiten für Fettuccine und einen sehr schmalen für Tagliolini. […] Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, einen dieser „neumodischen“ Apparate zu kaufen, die am einen Ende Eier und Mehl zusammenkneten und am anderen verschiedene Pastaformen herauspressen. Was da herauskommt, ist ein klebriges, nicht akzeptables Produkt; und außerdem ist es eine Plage, die Maschine zu reinigen. (133f.)
Gut, immerhin wissen wir, was wir kaufen müssen. Aber ich warne Sie: Die Beschreibungen, die folgen, nehmen über vier Seiten Erklärungen in Anspruch. Und der Abschnitt über das Kneten ist nur ein Teil davon:
Schieben Sie die Eier-Mehl-Masse mit dem Handballen von sich weg, und halten Sie die Finger dabei gekrümmt. Schlagen Sie die Masse zur Hälfte übereinander, drehen Sie sie um 90 Grad, pressen Sie sie fest mit dem Handballen wieder nach unten und wiederholen sie den Vorgang. Achten Sie darauf, dass sie die Teigkugel immer in dieselbe Richtung drehen, entweder im Uhrzeigersinn oder dagegen. Wenn Sie den Teig auf diese Weise 8 volle Minuten geknetet haben und er so glatt wie Seide ist, dann ist er bereit für die Maschine. (136)
Na? Noch kein Handgelenk gebrochen? Aber wie gesagt, das ist die einfache Methode. Die „Nudelholzmethode“ wird dann auf sechseinhalb Seiten erklärt…
Die Vermählung
Sie werden irgendwie zum Ziel kommen. Aber was ist Pasta ohne Sauce? Auch da hilft Marcella Hazan natürlich weiter. In 55 Rezepten erklärt sie die Möglichkeiten, Pasta „innigst“ mit Sauce zu vermählen. Und davon enthalten etwa 15 Rezepte Tomaten. Soviel zur Anna-Betty-Tomatensauce!
Doch der Hazan’sche Imperativ zeigt sich an meiner absoluten Lieblingsstelle des ganzen Kochbuchs am schönsten. Sie schildert den Moment, in dem Sie Pasta und Sauce vermählen (es ist auf absolute Gleichzeitigkeit zu achten!) und die darauf folgenden Sekunden:
Haben Sie die Pasta in der Sauce gewendet, servieren Sie sie sofort und fordern Sie Familie oder Gäste auf, die Unterhaltung abzubrechen und mit dem Essen anzufangen. (132)
Grossartig! Das ist doch die ansprechendere und hoffnungsvollere Variante des Brecht’schen „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“!
Das hier wird der zweitletzte Sprechtakel-Eintrag sein. Doch dazu noch in diesem Jahr mehr. Denn zum Abschluss muss ich noch zwei Einkaufszettel los werden, die auf meiner Harddisk des Kommentars harren. Wir diskutierten kürzlich bereits die Intimitäten