Wir wollen hier regelmässig einen Blick auf die täglichen Sprechtäkeli der Blogosphäre werfen: Eine Ikone ist kürzlich verschieden, Betty Bossi, die eigentlich nur aus Wörtern bestand, ein ganzes Reich, trotzdem gut kochte und eigentlich Emmi Creola hiess. Apropos essen: Das Mädchen vom Limmatquai titelt „unkontrollierbar“ und hat damit jegliche Hoffnung schon abgeschrieben, sich von ihrer Schoggisucht heilen zu können. Ich rufe ein aufmunterndes „momentan unkontrolliert“ über die Limmat!
Aber sorry: „Mädchen“ ist natürlich genau so diskriminierend wie das „offensichtlich nicht-generische Maskulinum“ in einem Artikel der NZZ am Sonntag über die Sorgen Flugreisender in Erwartung ihres Sitznachbarn/ihrer Sitznachbarin: „‚Hoffentlich ist sie hübsch.‘ – ‚Hoffentlich spricht er mich nicht an.‘ Und seit Herbst 2001: ‚Hoffentlich kein Terrorist.'“ Wobei man sich bei letzterem fragt: Es kommt dann eigentlich doch nicht so darauf an, wo der Terrorist sitzt, wenn die Bombe zündet. Oder doch: Wenn er (oder sie…) neben mir sitzt, kann ich wenigstens zwischen Bomben-Ankündigung und Abflug in den richtigen Himmel mit ihm (oder ihr) ein Streitgespräch zum Thema „Duden oder Wahrig? Welches Nachschlagewerk ist besser?“ oder so führen.
Damit zeigt sich sehr wörtlich, dass die Sprache eines der ersten Kriegsopfer sein kann. Aber nicht nur Kriegsopfer, auch H&M-Opfer. Die Sprache ist also so stark bedroht, dass auch der Spiegel ein Heft dazu verfassen musste. Doch auch Herr Wortreich hat ihn leider noch nicht gelesen. Ob wir (rein technisch) überhaupt fähig dazu sind? Normale Leser stöbern nämlich nur in Büchern, lesen tun die schon lange nicht mehr.
Schlussendlich muss ich noch auf Herrn Blogwiese zu sprechen kommen. Er findet „schlussendlich“ nämlich überflüssig und behauptet, es handle sich dabei um einen Helvetismus. Zur Relativierung ein paar Zahlen. In jeweils einem Jahrgang findet man in diesen Zeitungen folgende Anzahl Artikel, in denen „schlussendlich“ vorkommt: Tagi 43, NZZ 0, Süddeutsche Zeitung 29, Berliner Zeitung 3, Frankfurter Allgemeine 29.
Es ist immer alles komplizierter.
Manueller Trackback:
http://wortreich.nightshift.ch/2006-10-07/anglizismen-alarm-ii-rettet-dem-deutsch-vor-die-angelsachsen/
Ich hatte bereits darauf hingewiesen: Der Spiegel titelte in seiner 40. Ausgabe „Rettet dem Deutsch“ und „Deutsch for sale“. Kulturredaktor Mathias Schreiber behauptet, Deutsch verlottere, es werde „so schlampig gesprochen und geschrieben wie wohl nie zuv